Am Puls von Raum und Zeit

Otto Kapfinger, ein österreichischer Architekt, Autor und Publizist beschreibt in seinem Buch "Am Puls von Raum und Zeit" die Baukunst des Wiener Büros P+P wie folgt.

Die Architektur von P+P liegt in erfrischender Weise quer zum Mainstream der modischen Szene-Diskurse. Mit High-Tech und konstruktiven Exhibitionismen haben sie nichts am Hut; Computer sind für sie simples Werkzeug, nicht mystischer Ort der Auslöschung des entwerfenden Subjekts; Morphen und Falten als Höhere Mathematik entfacht bei ihnen keine Begierden nach Kurven n-ter Ordnung, Vergleichbares wird bei ihnen eher in der Grundschule des "kleinen" räumlichen Einmaleins abgehandelt; auch das Hochpushen neutraler Kisten mit perfektem Materialpurismus oder mit grafisch semantisierten Fassaden und Membranen ist nicht ihr Bier. Bei P+P funktioniert das Entwerfen offenbar noch viel einfacher - und sind die Resultate, frank und frei gesagt, zum Teil komplexer als bei den vieldiskutierten Highlights der Avantgarde.


Ein Bau-Stück von P+P - ins Musikalische transponiert - wirkt etwa wie eine Fuge, eine schlichte Klavieretüde von J.S.Bach inmitten virtuoser Tongemälde und multiorchestraler Klang-Cluster von Spätromantik bis Post-Zwölfton, oder steht wie Dylan oder Seeger mit Gitarre und Maulhobel unplugged zwischen den polymedialen Bühnenspektakeln von Bowie bis ich weiß nicht was.


Die Mittel und Werkzeuge von P+P sind extrem einfach. Ihre entwerferische Strategie fußt auf wenigen, reduzierten Grundannahmen, auf Modulen, die mit ebenso reduzierten Sets von Spielregeln konfrontiert werden. Doch in der Überlagerung, in der Permutation von Modulen mit Spielregeln entstehen hochkomplexe, spannungsreiche räumliche Gebilde, welche die heute gängigen - auch in avanciertesten Konstruktionen meist nach wie vor gegebenen, räumlichen Schematismen hinter sich lassen und den Blick auf wirklich neue, evolutionäre Raum- und Bautypologien eröffnen.


So arbeiten P+P nach einem baukünstlerischen Grundsatz, dem Hermann Czech schon vor Jahrzehnten eine bündige Definition gegeben hat: Um etwas Neues zu sagen, muss keine neue Sprache erfunden werden; das Neue entsteht und wird als solches verständlich durch die originäre, unkonventionelle Verwendung der vorhandenen Sprache. Und P+P formulieren das für sich so: Es geht darum, das "Normale" einmal anzunehmen, und es dann zu verändern, radikal.


Dazu ein konkretes Beispiel: Für einen Wohnbau in Wien/Praterstraße war in einem Hinterhof ein maximales Volumen von 21m Breite und sechs Meter Tiefe gegeben, nord- und ostseitig an Feuermauern anschließend, nach Süden - in ganzer Breite - und nach Osten offen, Traufenhöhe 18m. P+P verwandelten diese engen, trockenen Parameter in eine maßgeschneiderte, neue Haustypologie, eine pulsierende Raumschichtung, die mit einfachen Mitteln aus dem engen, seichten Umriss ein Optimum an Nutzungsqualitäten herausholt.
Im "Normalfall" wären hier sechs Regelgeschosse entstanden, P+P erzielten aber sieben Etagen und Raumeinheiten. Sie teilten das seichte Bauprisma in 2,5m breite Randfelder und eine ca. 5,5m breite Mittelzone, in der die Geschosshöhen auf das rechtliche Mindestmaß von gut 2,2m gedrückt wurden, sodass sich hier eine Sieben-Teilung der gesamten Bauhöhe gerade noch ausging. In dieser niedrigen Raumschicht liegen an der Feuermauer (im Rücken) mit Belichtung und Lüftung von Norden der Lift und die Stiege sowie die Nassräume, Küchenbereiche und großzügigen Dielen (auch als Schlafräume nutzbar) der einzelnen Etagen, während an den Rändern die Einheiten jeweils abwechselnd ost- oder westseitig einen um fünf Stufen tiefer- bzw. höhergesetzten (Wohn)Raum mit rund 3,2m Plafondhöhe erhalten.


Wir kennen den klassischen Querschnitt der "Unites" von Le Corbusier. Die L-Formen der Maisonetten umgreifen in gespiegelten Packungen den Mittelgang. P+P stauchen nun das L auf eineinhalb Geschosse, lassen den längeren, dünnen Schenkel immer halb vom kürzeren, breiten der nächsten Einheit umgreifen und schwenken das Ganze vom Quer- in den Längsschnitt des Gebäudes.


Ergänzt mit Balkonen und Dachterrasse entsteht so ein pointiertes, eben nicht "neutrales" Raumgefüge, das gerade durch die Spannung zwischen breit und niedrig, hoch und tief etc. zu vielfältiger Nutzung anregt und das problemlos auch mit Büro- und Ateliernutzungen durchflochten werden kann.


Die raumtypologische Virulenz ist freilich in technologischen Alltag umgesetzt. Rohe Betondecken und -brüstungen (tragend) innen, Holzböden, Fassaden mit Vollwärmeputz in schlichtem Grau. Die entscheidenden, im Miethausbau innovativen Mehrwerte bieten hier Grundriss, Schnitt und Orientierung; technische Finessen der Hülle sind da sekundär, budgetär nicht leistbar und auch nicht nötig.


Komplexe Schnitte und überraschende Raumfiguren aus der Kombination einfacher Geometrien hatte schon die Serie "Wohnmodelle" von P+P in den frühen 90er Jahren charakterisiert, auch Anna Popelkas leider nicht gebaute Schule aus simplen, doppelseitig belichteten Klassen, äußerst unkonventionell hintereinandergestaffelt in verschobener, entkoppelter Reihung über gläserne Gangfluchten.


Eine andere Variante ihrer Dynamisierung einfacher Volumetrien durch mäandrierende Schnitte und Erschließungen zeigen die Entwürfe für Wien/Traisengasse oder das Rathaus in Eisenstadt. Beim Wohnbau in der Traisengase wird eine Eckparzelle als ganzheitlicher Hauskörper interpretiert. Von dem zentralen Erschließungskern in der Beuge erschließt ein verschlungener, geschossweise durch Stiegen an den Wendepunkten verbundener Weg die verschiedenen Wohnungen. Der Weg pendelt hier zunächst auf die längere Straßenseite hinaus als Laubengang, wendet etliche Meter vor dem Hausende mit einer Stiege ins nächste Geschoss, wird dort zum Mittelgang, tangiert das Stiegenhaus, stösst dann auf die andere Straßenfassade vor als Laubengang, wendet dort wieder einige Meter vor dem Hausende, führt über die Stiege ins nächste Stockwerk hinauf und wird dort wieder zum Mittelgang, quert das Stiegenhaus und so immer weiter bis hinauf zum Dach. Maisonetten überbrücken die Mittelgangpartien und liegen an den Hausenden, am Laubengang südorientierte Etagenwohnungen, an der Hausecke Sondertypen. August F. Moebius-Hof genannt, bietet das Ganze bei äußerster Ökonomie der Mittel ein erstaunlich vitales, urbanes Raumgeflecht, eine neuartige Auflösung der schwierigen Über-Eck-Typologie innerhalb der Zwänge des sozialen Wohnungsbaus.


Einen ganz anderen Ansatz für das "Raum-Schach" von P+P bot die Testanlage mit Klimawindkanälen für modernste Schienenfahrzeuge, derzeit in Wien/Floridsdorf in Bau. Hier waren im technischen Niveau und im Volumen in Europa einzigartige Geräte und Raumkonditionen vorgegeben. Im Gemenge der technischen Detailplaner bearbeiteten die Architekten vor allem das Potential der räumlichen Zuordnungen der an sich autonomen, hochdeterminierten Einzelbereiche, und es gelang ihnen, diese von den Spezialisten nicht wahrgenommenen Blindfelder zu aktivieren, also die Zwischenräume zwischen den einzelnen Anlageteilen bzw. die "Schluffe" zwischen den riesigen Windkanalröhren und den Gebäudehüllen für Wegführungen, für Brücken, Ein- und Durchblicke in Verbindung mit Foyers und Verwaltungsbereichen zu nutzen und übersichtlich zu gestalten. Wird dieser 150/20/40m große, hermetische  Techno-Leviathan eine homogene Haut aus silbernem Anstrich erhalten, so haben P+P auch in einer dazu reziproken Situation, dem Design eines Samadhi-Bades in Graz, die innere Raumhülle mit einer fugenlosen Beschichtung in "California Blue" unifiziert; da wie dort - reduzierte Mittel; komplexe Funktionalität; starke, klare Atmosphäre.


Im städtebaulichen Ansatz findet die Haltung von P+P schließlich ihre Konsequenz im größeren, raum-zeitlichen Maßstab. Auch hier gehen sie offensiv auf die Zwänge des "Normalen" zu, transformieren sie die Parameter der lokalen Bauordnung, der Licht-Schattendiagramme, der speziellen Freiraumqualitäten und der nutzungsbedingten Abstandsregeln zur Definition von optimalen Hüllkurven möglicher Bebauung über dem Areal, wodurch ein "Bebauungsplan" jenseits formaler Vorgaben definiert wird, der maximalen individuellen Freiraum zur inneren Differenzierung des "Mugels" lässt und so die klassischen städtebauliche Sprachmuster der Block- oder Punktbebauung hinter sich lässt.


Wenn heute vielfach behauptet wird, dass die heiße Debatte zwischen den "Boxes" auf der einen und den "Blobs" auf der anderen Seite beweise, dass es in der Baukunst eben nicht mehr um die Beziehung zwischen Form und Inhalt geht, sondern nur mehr um die Topologie von Körpern und Oberflächen, dann mag das für die medialen Hotspots stimmen. Die Arbeit von P+P beweist aber die Einseitigkeit und den formfixierten Standpunkt solcher Phänomene. Die Haltung von P+P steht nicht isoliert, sie ist in Österreich verwandt mit Positionen von Heidulf Gerngross oder RieglerRiewe, von Krischanitz oder Loudon, mit frühen Ansätzen der Voraralberger aber auch einigen jungen Gruppen der Szene.  Es ist die Arbeit am Weben komplexer räumlicher Muster aus wenigen, einfachen Grundelementen jenseits von subjektivistischen oder technizistischen Statements. Nicht mehr, nicht weniger.

 

Copyright und Veröffentlichung bei www.ppag.at

Hotel Achalm


Hotel mit Schafstall (li.) vor der Achalm
Hotel mit Schafstall (li.) vor der Achalm

Das neue Hotel Achalm auf Reutlingens Hausberg ist seit Oktober 2014 in Betrieb und läuft hervorragend.

 

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Die Investoren und die Betreiber geben sich allergrößte Mühe um ein erstklassiges Angebot zu einem absolut fairen Preis-Leistungs-Verhältnis auf die Achalm zu bringen und liegen nach eigenem Bekunden gastronomisch immer auf der Höhe.